Ein emotionaler Moment
Ich muss zugeben, dass mein Besuch am Tanganjikasee sehr emotional verlief. Die Tanganjikaseebuntbarsche waren meine ersten Aquarienfische, die mich vor 40 Jahren richtig begeistert hatten und mich auch immer noch faszinieren. Und wenn man dann das erste Mal am Ufer des Sees steht und mit der Taucherbrille einen Blick unter die unendlich groß scheinende Wasseroberfläche wirft, kullern fast die Tränen. Dort schwimmen dann die Fische herum, die ich mir im Zoogeschäft finanziell kaum leisten konnte. Tropheus, Lamprologus, Julidochromis und Telmatochromis-Arten sind schon zu sehen, wenn man nur kurz hineinschaut. Das Wasser ist so klar, wie es jeder im Aquarium gerne hätte und mit 28-29 °C auch noch angenehm warm.
Nun liegt der Tanganjikasee nicht gerade vor unserer Haustür und vor einigen Jahren war die Anreise noch sehr zeitaufwändig. Aber heute gibt es von Deutschland 8,5 h Direktflüge mit Condor nach Arusha in Tansania für 900,- € - Emirates bietet Flüge über Dubai sogar schon ab 650,- € an. Vom Kilimandscharo Airport bei Arusha führt ein Inlandsflug die rund 900 km weiter nach Kigoma am Tanganjikasee. Ich empfehle vor Ort das Hilltop Hotel direkt am See, sehr hübsch auf einer kleinen Klippe gelegen. Vom Hotel gibt es einen kleinen Weg hinunter zum Wasser und genau dort lohnt sich bereits das Schnorcheln!
Die Artenvielfalt
Bereits im flachen Wasser zwischen ein und fünf Metern Wassertiefe sind so viele Fischarten zu sehen, dass wir schnell die Zeit vergessen und uns einen ansehnlichen Sonnenbrand zuziehen. Ein dünner langer Taucheranzug ist gegen die krebsrote Farbe sehr empfehlenswert. Wir können bereits in nur einem Umkreis von 200 m verschiedene Biotope finden: Sandflächen mit schönen Fadenmaulbrütern (Cyathopharynx) und manchmal Stachelaale, Schneckenfriedhöfe mit ihren kleinen Schneckenbuntbarschbewohnern (Neolamprologus –Arten) und kleinere Felsenriffe mit Tropheus und weiteren Lamprologinen – zum Teil in unglaublicher Individuenzahl. Militante Tierschützer würden Tansania vermutlich wegen Überbesatz verklagen. Aber der Tierbestand regelt sich in der Natur nicht durch Gesetze, sondern durch die Anzahl der Rückzugsmöglichkeiten und dem Nahrungsangebot.
Mit etwas Glück können Sie auch etwas seltenere Arten im Flachwasser beobachten. Ihre Chance dazu steigt mit jeder Stunde, die Sie mehr im Wasser verbringen. Ich hatte die Chance, große Lepidiolamprologus elongatus mit Jungfischen zu entdecken. Es ist immer wieder faszinierend, wie Elterntiere mit dieser Extraportion Eltern-Motivation jeden Fressfeind in die Flucht schlagen – Menschen inbegriffen. Oder Sie treffen auf den größten Fisch des Sees und zweitgrößten Buntbarsch der Welt, den Boulengerochromis microlepis. Mit seinem 70 cm ist er eine imposante Erscheinung und durchaus Angst einflößend, wenn er Jungfisch verteidigend den Taucher oder Schnorchler attackiert. Aber anders als Drückerfische im Meer beißt er uns keine Fleischstücke aus unserem Körper!
Nehmen Sie sich auch etwas Zeit für die „langweiligen“ Sandflächen. Im Tanganjikasee gibt es viele Arten, die sich auf diesen lebensfeindlichen Lebensraum spezialisiert haben. Wer genau hinschaut, kann beobachten, dass es grabende Fische gibt, die von cleveren Verfolgern begleitet werden. Beim Graben werden kleine Organismen freigesetzt, die der Verfolger fressen kann. Im Gegenzug passt der Verfolger auf, ob sich große Räuber nähern, die der Grabende nicht sofort sieht, da er oft mit dem Kopf im Sand eintaucht. Eine echte und sehenswerte Symbiose!
Auch nachts lohnt es sich, im See zu schnorcheln: Erst bei Dunkelheit kommen Garnelen heraus, gehen die Stachelaale auf Jagd und auch Welse lassen sich blicken. Durch das warme Wasser kühlen wir nachts nicht so schnell aus und es lassen sich ausgedehnte Schnorcheltouren unternehmen.
Die Wasserwerte
Niemand sollte vergessen, ein paar Wassertests mitzunehmen. Die besondere Wasserchemie des Sees muss man mit eigenen Augen gesehen haben: Die Karbonathärte liegt mit 16-18 °dKH höher als in fast allen anderen tropischen Gewässern der Erde und auch höher als die Gesamthärte (10-11 °dGH). Ursache sind Natrium-Karbonatverbindungen, die die Karbonathärte erhöhen, aber nicht zur Gesamthärte zählen, da sie kein Kalzium oder Magnesium enthalten. Der pH-Wert liegt bei 8,8 und 9,0 bei einer Leitfähigkeit von 645-690 µS/cm. Die Wassertests für Nitrit, Nitrat und Phosphat können Sie getrost zu Hause lassen. In natürlichen Gewässern sind solche „Problemstoffe“ nur zu finden, wenn der Mensch die Gewässer stark verschmutzt.
Mein Lieblingsfisch - Der Tanganjikabeulenkopf
Aber meinen Lieblingsfisch, den Tanganjikabeulenkopf (Cyphotilapia frontosa) konnte ich noch nicht entdecken. Diese Art lebt in großen Felsenriffen ab 25 m Tiefe. Wer einen Freitauchlehrgang (Apnoe-Tauchen) mitgemacht hat, schafft diese Tiefe auch mit Luft anhalten. Alle anderen müssen Flaschenluft atmen. Leider ist es in Kigoma mur mit etwas Glück möglich, Pressluftflaschen zu leihen. Wir hatten dies auf unserer JBL Expedition alles im Vorweg organisiert und sogar acht Tauchflaschen mitgebracht. Das Hilltop Hotel besorgte ein Boot und so ging es in 20 Minuten Bootsfahrt zu einer Stelle, wo Cyphotilapia leben sollten. Und tatsächlich sahen wir ab 22 Metern Tiefe die ersten Tiere. Die kleiner bleibenden Weibchen lebten sehr Felsbezogen am Boden. Die großen Männchen schwebten majestätisch im Freiwasser darüber. Der Anblick war atemberaubend: Die Frontosa-Männchen hatten gute 40 cm Länge und waren ein unglaublicher Anblick. Auf Grund der Tiefe von etwa 30 Metern war die Tauchzeit auf 15 Minuten begrenzt, damit wir keine Stopps auf dem Rückweg zur Oberfläche einhalten mussten (Nullzeit). Bei einem Tauchunfall wäre keine Druckkammer verfügbar gewesen und so musste Sicherheit an erster Stelle stehen. Aber auch diese 15 Minuten reichten aus, um die Frontosa ein wenig zu beobachten, ein paar Fotos zu machen und die Gegenwart dieser schönen Tiere einfach zu genießen!
Reisetipps
Kigoma/Tansania am Nordostufer des Sees ist wegen des Flughafens und des Hilltop Hotel (ca. 100,- € pro Nacht/Doppelzimmer mit Frühstück) ein idealer Ausgangspunkt für uns Aquarianer. Der Reisepass muss mind. 6 Monate über den Reisetermin hinaus gültig sein. Das notwendige Visum kann online bei der Botschaft von Tansania beantragt werden. Die beste Reisezeit sind unsere Sommermonate und Januar-Februar. Die Tagestemperaturen liegen bei rund 29 °C, nachts kühlt es bis auf 20 °C ab. Über aktuelle Impfungen sollten Sie sich bei einem Tropeninstitut informieren. Ratsam sind: Typhus, Polio, Meningitis, Hepatitis B und Tollwut bei Umgang mit Landtieren. Eine gute Prävention gegen Stiche mit z. B. No Bite ist in den Abendstunden immer sinnvoll. Wer nach dem Tanganjikasee noch etwas Urlaub am Meer verbringen möchte, kann per Inlandsflug nach Sansibar fliegen und dort die Insel mit ihren Korallenriffen genießen. Auch von Sansibar gibt es Direktflüge nach Deutschland.
Zum Thema Krankheiteninfektionsrisiko gibt es vom Tanganjikasee Positives zu berichten: Wenn Sie Uferbereiche meiden, an denen viele Menschen(Einheimische) baden oder Flüsse in den See münden, fehlen den Bilharziose Erregern die für den Lebenszyklus notwendigen Schnecken. Die größte Gefahr am See ist der Sonnenbrand!