Am 05.02.2014 folgte Ute Vogt, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, einer Einladung des BNA (Bundesverband für fachgerechten Natur-, Tier- und Artenschutz e. V. nach Hambrücken, um mit Fachleuten aus der Heimtierbranche über den viel diskutierten Antrag im Koalitionsvertrag (…generelles Importverbot für Wildtiere in die EU…) zu sprechen.
Nach kurzen Ansprachen des BNA und des Präsidenten des ZZF (Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe) wurden drei Referenten gehört.
Heiko Blessin, Biologe bei JBL referierte über die Situation der Meerwasseraquaristik, die sich immer mehr in Richtung Nachzuchten im Korallenbereich und riffverträgliche Fische entwickelt. An Hand aktueller Zahlen der wichtigsten deutschen Meerwasserimporteure und Züchter konnten Importverlustzahlen unter 3 % belegt werden. An Hand des Beispiels des „Roten Schnappers“ zeigte Heiko Blessin, dass dieser Fisch problemlos als Speisefisch in unbegrenzter Menge importiert werden darf, nicht aber als Aquarienfisch! Nun werden aber Speisefische und Aquarienfische in EINER Statistik über Wildimporte gemeinsam aufgeführt und verfälschen das Bild!
Bernd Schmölzing vom EFS Fischgroßhandel konnte ebenfalls an Zahlen belegen, dass die Verluste bei Fischen im Großhandel und bis 31 Tage nach dem Import unter 2 % liegen. An Hand des Beispiels vom Purpurziersalmler (Nannostomus mortenthaleri) zeigte Bernd Schmölzing, dass auch nach Bekanntwerden des Fundortes und starker Befischung aller umliegenden Fischfänger, die Zahl der wildlebenden Fischbestände über Jahre unverändert blieb.
Peter Hoch vom Import-Export Hoch zeigte ebenfalls Zahlen, aber aus dem Terrarientiersektor, der durch die Terrarientierbörsen stark unter Beschuss steht. Er konnte zweifelsfrei zeigen, dass die Anzahl der Nachzuchten gegenüber Wildfängen deutlich zugenommen habe und die früher beanstandeten hohen Importzahlen einiger Arten heute kein Problem mehr darstellen.
Nachdem Frau Vogt die Kurzvorträge angehört hatte, nahm sie Stellung: „Wir möchten die Tierhaltung auf keinen Fall verbieten, sondern lenken“ war ihr einleitender Satz zum Dialog. „Tierheime haben wachsende Probleme mit ausgesetzten Tieren, und daher möchte ich durch den Antrag im Koalitionsvertrag den Fokus auf die Heimtierhaltung lenken.“ Dieser Forderung stimmten natürlich auch alle Anwesenden zu. Frau Vogt führte weiter aus, dass Fische von dieser Problematik nicht betroffen seien. Aber die Fachkenntnis zur Tierhaltung sei sehr wichtig und unbedingt verbesserungswürdig. Gesetze alleine würden hier nicht helfen. Die Einstellung des Menschen sei wichtiger und müsse verändert werden. Auch dies ist eher unstrittig.
Dann erklärte Frau Vogt noch einmal, dass im Koalitionsvertrag von einem „grundsätzlichen Importverbot“ die Rede sei und das Wort grundsätzlich, anders als bei den meisten so verstanden, nur bedeute, dass Ausnahmen möglich seien. Die Politiker seien sich im Klaren, dass zur Arterhaltung Naturentnahmen nötig seien. Zurzeit gibt es nur die CITES Regelung und keine weiteren Regelungen in diesem Bereich. Es bleibe also die Frage dieses großen ungeregelten Bereiches, wo Wildtierentnahmen überlebensnotwendig bleiben und wo Nachzuchten ausreichen würden. Frau Vogt nahm das Beispiel Korallenfarming auf und führte aus, dass die Bundesregierung zum einen mit der Entwicklungshilfe das Farming der Korallen und Muscheln unterstützt, aber dann natürlich nicht auf der anderen Seite die Einfuhr dieser Tiere verbieten wolle. Denn Wirbellose aus Farmen gelten als Wildfangimporte.
Ute Vogt wies ganz deutlich und mit einer gewissen Schärfe darauf hin, dass der von ihr persönlich angeregten Zusatz zu Wildtierimporten im Koalitionsvertrag keine platten Worte und nur guter Wille seien. Sie würde für diesen Antrag kämpfen, auch wenn die Durchsetzung, ganz besonders in der EU, einige Jahre dauern könne. Sie räumt auch ein, dass sich nur sehr wenige Politiker mit diesem Thema bisher befasst hätten und sagt klar, „dass man nun endlich anfangen müsse, sich im Sinne der Tiere mit diesem Thema ernsthaft zu beschäftigen.“
Ihre Forderungen formulierte Ute Vogt so:
- Es muss ein Weg gefunden werden, Halter und Verkäufer zu qualifizieren und ein Verantwortungsbewusstsein zu schaffen. Ein mehrstufiger Fachkundenachweis wäre sinnvoll.
- Die Bundesländer brauchen eine einheitliche Regelung.
- Das Problem invasiver Arten muss angegangen werden. Ein Gesetz dazu ist vermutlich durchsetzbar, aber mit nur 50 Arten sei die Liste noch unvollständig.
- Meinungen von ProWildlife und WWF werde sie sich anhören, denn die beiden Verbände hätten sicherlich ganz andere Zahlen vorzulegen.
- Es sollen alle Beteiligten angehört werden, BEVOR Entscheidungen getroffen werden.
- In den Fraktionen werden Tierschutzbeauftrage benannt und im Umweltausschuss ein Berichterstatter.
- Es geht nicht um Verbote, sondern um ein gemeinsames Beschäftigen mit diesem Thema.
- Der Arterhalt steht ganz vorne.
- Das Thema Positivlisten ist noch nicht entschieden. Positivlisten seien nur ein Vorschlag von vielen.
Nun kamen die Teilnehmer des Meetings zu Wort:
Boris Scholven von Fressnapf informierte alle Teilnehmer darüber, dass die von ProWildlife angeführten Verlustzahlen bei Fischimporten von 70 % jeglicher Grundlage entbehrten. Er habe den Weg der angegebenen Quellen für diese Zahl bis nach Manaus in Brasilien zurückverfolgt und konnte keine Bestätigung erhalten. Die 70 % sind frei erfunden worden! Politiker sollten sich nicht von Meinungen (peta, ProWildlive) leiten lassen, sondern von fundierten wissenschaftlichen Studien.
Cornelia Preis konnte die Zahl von 300.000 Beschäftigten in der Heimtier-Industrie beisteuern, die direkt oder indirekt von einem Niedergang, u. a. der Aquaristik betroffen wären. Deutschlands Hersteller von Aquaristikprodukten wie JBL, Tetra, Eheim oder Juwel gehören zu den Marktführern weltweit, die die Aquaristikszene prägen. Diesen Technologievorsprung sollte man nicht einfach aufgeben!
Zum Thema EU, die den Gesetzentwurf annehmen muss, wurde angemerkt, dass die EU Artenschutzverordnung auf das „grundsätzliche Wildtierimportverbot“ ausgedehnt werden soll. Hier werden die Chancen aber als gering angesehen, dass 28 Mitgliedsstaaten zustimmen werden. Eine Anpassung des Lissabon-Vertrages (= EU-Grundlagenvertrag) wird in Brüssel diskutiert. In der EU hat jedes Land eine Stimme.
Zum Thema Verbot gewerblicher Tierbörsen wurde angemerkt, dass ein Verbot zu einer illegalen Untergrundszene führen werde. Frau Vogt ergänzte, dass der Zoofachhandel Auflagen habe, die Börsen aber nicht. Speziell das Problem der Spontankäufe auf solchen Börsen sei ein nicht lösbares Problem. Daher möchte die SPD gewerbliche Tierbörsen verbieten. Börsen für Züchter seien davon aber nicht betroffen. Es ginge auch hier nur um Wildtierhandel.
Resümee: Ein Wildtierimportverbot scheint vom Tisch zu sein, aber Positivlisten und Auflagen stehen zur Diskussion. Wir Aquarianer und Terrarianer müssen weiterhin belastbares Zahlenmaterial liefern, denn die Negativdaten der Tierrechtler sind sehr dünn und nicht haltbar. Aber wir haben auch gelernt, dass die Negativpropaganda der Tierrechtler gewirkt hat und die Politiker sich unter Zugzwang sehen. Besonders die Terraristik wird unter Druck stehen, Zustände zu verbessern. Sehr positiv ist es, dass wir nun firmenübergreifend fern von Wettbewerbssituationen an einem Strang ziehen. Denn wir alle leben und lieben die Aquaristik und Terraristik!