In Niigata empfing mich Schnee, wie wir ihn in Deutschland kaum noch kennen. Aber nicht mehr Meterhoch, wie im Vorjahr, und die Straßen waren schneefrei.
Ich traf mich mit Rene Villelas, der mich zum Hotel geleiten wollte, da ich es ohne seine Hilfe und mit meinem japanischen Navi niemals gefunden hätte. Das Hotel lag in direkter Nachbarschaft zu den Koizüchtern in den Bergen zwischen Nagaoka und Ojiya und sollte auch unser Hotel während der JBL Expedition im Oktober 2019 werden. Daher wollte ich es einmal ausprobieren.
Am Empfang gab es den obligatorischen Schuhtausch: Die eigenen Schuhe bleiben in Regal sortiert stehen und man bekommt offene Hausschuhe, die mir vermutlich nicht einmal als Kind gepasst hätten. Das Gefahrenpotential dieser Japanschlappen wird stark unterschätzt. Sie rutschen unvorhersehbar vom Fuß und da der Fuß nur zur Hälfte hineinpasst, braucht man schnell neue Socken, die im hinteren Teil immer am Boden schleifen. Das Zimmer ist für japanische Verhältnisse riesig, aber ohne Bett. Der Boden besteht aus Tatami-Matten, die jeder Kampfsportler aus seinem Verein kennt. Sie dienen dem Schutz des Sportlers beim Fallen. Warum sie allerdings der bevorzugte Boden eines Hotelzimmers sind, erschließt sich mir nicht. Aber es sieht mit dem flachen Tisch in Kinderhöhe und den dazu passenden abgesägten Stühlen zumindest sehr japanisch aus. Eine Dusche war nicht zu finden und mein Freund Rene, der seit vielen Jahren in Japan lebt, erklärte mir, dass im Spa Bereich geduscht würde – Männer und Frauen separiert. Immerhin gab es eine Toilette, die, wie in Japan üblich, eine beheizte Klobrille besaß und diverse Tasten, die nur mit Hilfe einer umfangreichen Bedienungsanleitung (natürlich auf Japanisch) richtig zu bedienen ist. Wer fälschlicherweise den roten Knopf für die vermeintliche Spülung betätigt, setzt z. B. sein Badezimmer durch einen gezielten Wasserstrahl an die Zimmerdecke unter Wasser. Aber eine höhere Luftfeuchtigkeit soll ja gesund sein. Die Toilette kann vermutlich alles: Von der Hinternputzspülung bis zur Wohlfühlmusik. Ich habe es wegen Kommunikationsproblemen mit der Tastatur leider nie über ein Herunterregeln der Heizeinstellung auf Temperaturen unterhalb der Schmerzgrenze hinaus geschafft.
Während es zum Abendessen geht, wird im Zimmer das Bett bereitet. Oder besser: Die Matratze mit Decke und Kissen mitten im Zimmer hingelegt. Wer eine Zeitlang obdachlos war, wird sich hier zu Hause fühlen. Auf Straßenpflastern ist es ähnlich hart. Aber Japaner haben keine Rückenschmerzen oder daher akzeptiere ich die nächtliche Folter als gesundheitsfördernd.
Das Abendessen besteht aus unzähligen Gängen, die alle von der Menge her, nach Vorspeisen aussehen. An Hand der japanischen Menükarte, könnte man auch herausbekommen, ob es sich nun um Quallengelee oder etwas anderes handelt – wenn ich denn Japanisch lesen könnte. Also esse ich brav (fast) alle Miniportionen und wundere mich, dass ich am Ende tatsächlich richtig satt geworden bin.
Zum Abschluss des Thema Hotels noch eine Kurzbeschreibung des Duschens: Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob ich alles richtig gemacht habe, denn eine Anleitung gab es ja nicht. Es stehen viele Holz-Kinderhocker vor einer langen Bank mit Schampoos, Spiegeln und unbekannten Accessoires sowie einer Handbrause nebeneinander. Ich ließ mir beim Ausziehen meines Kimonos (lag im Zimmer bereit) etwas Zeit und beobachtete einen Japaner, wie er die Duschprozedur im Sitzen meisterte.
Dann setzte ich mich nackt neben ihn und grüßte ihn freundlich mit den drei Brocken japanisch, die ich von meinem Navi gelernt hatte. Er grunzte nur. Man scheint sich bei der Körperhygiene nicht zu unterhalten. Dann duscht man im Sitzen, was ich an bestimmten Stellen als hinderlich empfand. Aber den Rest übernimmt vermutlich die Allzwecktoilette. Ich habe es nie herausgefunden.
Am Morgen ging es bei perfektem Wetter zu den Koizüchtern. Es war wirklich sehr schön, dass die Japaner, die vor ein paar Jahren noch kein einziges Wort freiwillig mit mir gewechselt hatten, mich heute extrem freundschaftlich begrüßen und auch wasserchemische Fragen an mich haben, die Rene geduldig übersetzte. Mit unserem JBL SmartPhone Test-Set (JBL ProScan) und einem Leitwert-Messgerät geht einem nie der Gesprächsstoff aus. Ohne Übersetzer sind die Gespräche aber meist extrem eingeschränkt. Nur die wenigsten Japaner sprechen fließend Englisch.
Ich besuchte die Koizüchter, die unser JBL ProPond Teichfutter an ihre Tiere füttern und fragte sie nach ihren Erfahrungen. Die Züchter unterscheiden, welchen Fischen sie hochwertiges Futter und welchen sie preiswertes Futter geben. Junge Tosai erhalten niemals hochwertiges und damit teures Futter, ob nun von Hikari oder von JBL. Letztes Jahr durfte ich als Erster Mensch überhaupt bei ihnen Unterwasserfotos der Koi machen. Rene und ich zeigten ihnen die Bilder vom letzten Jahr und fragten, ob ich nochmal Fotos machen dürfe. Denn ich hatte gelernt, dass ein Blitzgerät die Brillanz und Schärfentiefe der Fotos enorm steigert. Rene hielt den großen Hartenberger Unterwasserblitz hoch über das Koibecken, während ich mit Kamera unter Wasser die Fotos machte (per Blitzkabel miteinander verbunden). Bei dem klaren Wasser und der Fischmenge sahen die Bilder sensationell aus. Erst die niedrige Wassertemperatur setzte meinem Fotorausch irgendwann ein Ende.
Nach zwei Tagen bei den wichtigsten Koizüchtern, einem gestärktem Rücken durch den Tatami-Boden und drei Kilo weniger auf den Rippen ging es auf direktem Wege mit dem Auto zurück nach Tokio. Ich brauchte mein japanisches Navigationssystem zwar inzwischen nicht mehr, ließ es aber aus Unterhaltungsgründen angeschaltet. Ich bilde mir ein, dass ich die plärrende weibliche Stimme inzwischen teilweise verstehe.